Futur I Indikativ AktivDie nächste Auxiliarkonstruktion mit zwei verbalen Elementen ist die des Futur I, die gebildet wird, indem man das Auxiliar werden mit dem Infinitiv Präsens Aktiv eines Vollverbs verbindet.
Futur I Konjunktiv I Aktiv
Auch über die Bedeutung des Futur I gibt es in den verwendeten Grammatiken unterschiedliche Meinungen, wobei Eisenberg, van der Elst und Helbig/Buscha wieder mit den Zeitintervallen der Aktzeit, der Betrachtzeit und der Sprechzeit arbeiten.
In Eisenbergs schematischer Darstellung handelt es sich in den Sätzen um ein Futur I, in denen sich die Betrachtzeit und die Aktzeit überlappen und nach der Sprechzeit liegen. Allerdings hat das Futur I neben der temporalen Lesart (Es wird schneien.) auch eine modale des Typs Annahme oder Vermutung (Er wird wohl im Garten arbeiten.). Eisenberg schlägt daher vor, werden in seiner temporalen Lesart als Hilfsverb und in seiner modalen als Modalverb anzusehen. 69
Helbig/Buscha geben für das Futur I zwei Bedeutungsvarianten an. Erstens die Variante, mit der ein vermutetes Geschehen in der Gegenwart beschrieben wird: Aktzeit, Betrachtzeit und Sprechzeit sind alle gleich (Er wird im Büro sein.). Zweitens die, mit der ein zukünftiges Geschehen ausgedrückt wird: Die Betrachtzeit ist gleich der Aktzeit, die Betrachtzeit und die Aktzeit liegen nach der Sprechzeit (Wir werden das Resultat erfahren.). 70
Van der Elst unterscheidet zwei Tempusfunktionen (Zeitreferenzen), die sich mit dem Futur I ausdrücken lassen. Erstens gibt es die Möglichkeit, daß sich Aktzeit, Betrachtzeit und Sprechzeit gegenseitig überlappen (Er wird sich gerade in der Bibliothek aufhalten.), wobei sich diese Tempusfunktion auch durch das Präsens wiedergeben läßt (Aber auch in der Wirtschaft tritt dieselbe Rechenhaftigkeit mit neuen Ergebnissen ans Licht.). Zweitens kann die Sprechzeit vor der Betrachtzeit und der Aktzeit liegen, Betrachtzeit und Aktzeit liegen nach der Sprechzeit (Er wird morgen in der Prüfung anwesend sein.), aber auch diese Tempusfunktion kann durch das Präsens wiedergeben werden (Seine Freundin kommt auch zum Klassentreffen.). 71
Die Dudengrammatik beschreibt die Bedeutung des Futur I wieder über die Verwendungsweisen, wobei sich hier zwei unterscheiden lassen: 72
1.Bezug auf Zukünftiges. In dieser Verwendungsweise kann das Futur I auch durch das Präsens ersetzt werden (Er wird später einmal das Geschäft übernehmen. <=> Er übernimmt später einmal das Geschäft.).
2.Bezug auf Gegenwärtiges. In dieser Verwendungsweise kann das Futur I im allgemeinen nicht durch das Präsens ersetzt werden, weil die modale Komponente verlorengeht.
Engel betrachtet diese Form überhaupt nicht als ein Tempus, sondern handelt sie unter den Modalverbkomplexen ab. In einem subjektbezogenen Gebrauch übernimmt sie dort die Bedeutungsvariante 'zukünftig' (Sie wird nicht mehr kommen.), die oft auch eine Vermutung ausdrückt. Beim sprecherbezogenen Gebrauch hingegen ist die Bedeutungsvariante 'Vermutung des Sprechers' (Sie wird das anders meinen). 73
Die Form des Futur I kann auch wieder in zwei verschiedenen Modi auftreten. Einerseits kommt es in der eben beschriebenen Indikativform vor, andererseits aber auch in der Form des Konjunktiv I. Diese Konjunktivform wird gebildet, indem das Auxiliar werden in den Konjunktiv I gesetzt wird. Die Bedeutungsmöglichkeiten der Modi habe ich schon in Kapitel 5.1.1. beschrieben und werde daher hier nicht noch einmal darauf eingehen. Das Auxiliar werden kann auch in den Konjunktiv II gesetzt und mit einem Infinitiv Präsens Aktiv verbunden werden, bildet dann aber nicht die Form des Konjunktiv II zum Futur I, sondern den sogenannten Konjunktiversatz.
Besonders Eisenberg spricht sich dagegen aus, diese Form ins Paradigma der Verben aufzunehmen, da es auch die dazugehörenden Indikativformen nicht gibt (*er wurde arbeiten <== er würde arbeiten). 74 Ich schließe mich dieser Meinung an, da auch sonst keine weitere Grammatik - außer der Dudengrammatik - versucht diese Formen in das normale Paradigma einzuordnen.
Durch diesen Konjunktiversatz können alle Konjunktivformen der deutschen Sprache ersetzt werden, aber nicht bei allen ist dies auch sinnvoll. Nach Helbig/Buscha werden besonders oft die Formen von Konjunktiv Präsens, Konjunktiv Präteritum und Konjunktiv Futur ersetzt, seltener die von Konjunktiv Perfekt und Konjunktiv Plusquamperfekt, da dies meist umständlicher wäre. 75 Nach der Dudengrammatik kommt die Ersetzung besonders dann vor, wenn es sich um ungebräuchliche oder nicht eindeutige Konjunktivformen handelt. Aus Gründen des Wohlklangs werden auch Formen des Konjunktiv Futur von werden als Vollverb ersetzt. 76
Das Futur I Indikativ Aktiv und das Futur I Konjunktiv I Aktiv werden gebildet, indem das finite Auxiliar werden im Präsens Indikativ Aktiv oder im Präsens Konjunktiv I Aktiv mit einem Infinitiv Präsens Aktiv eines Vollverbs verbunden wird.
Mit dem finiten Auxiliar werden im Präteritum Indikativ Aktiv und einem Infinitiv Präsens Aktiv eines Vollverbs werden keine Auxiliarkonstruktionen gebildet.
Das Futur I Konjunktiv II Aktiv wird nicht gebildet. Mit dem Präteritum Konjunktiv II Aktiv des finiten Auxiliars werden und einem Infinitiv Präsens Aktiv eines Vollverbs wird der Konjunktiversatz gebildet.
1. Kernsatz
Die Menschen werden das Schiff segeln.
2. Kernsatz mit topikalisierter Akkusativergänzung
Das Schiff werden die Menschen segeln.
3. Kernsatz mit topikalisiertem infinitem Verb
Segeln werden die Menschen das Schiff.
4. Stirnsatz
Werden die Menschen das Schiff segeln?
5. Spannsatz
..., daß die Menschen das Schiff segeln werden!